Volker Gaibler @ ITA

AGN-Jets - eine Einführung

Galaxien bestehen aus einer riesigen Anzahl an Sternen: Unsere eigene Galaxie, die Milchstraße, besteht aus etwa 100 Milliarden Sternen, von denen unsere Sonne mit ihren Planeten nur ein einer davon ist. Und während der nächste Stern nach der Sonne nur etwa 1 Parsec (1 Parsec = 1 pc = 3.26 Lichtjahre) entfernt ist, hat die Milchstraße einen Durchmesser von 30 000 pc (30 kpc). Auf solchen Längenskalen bewegen wir uns im folgenden. Zwar sind diese Größen für Menschen praktisch unvorstellbar, aber das soll uns nicht weiter stören, denn 1000 km sind für eine Schnecke schließlich auch eine riesige Entfernung und trotzdem denkt bei einem Flug in den Urlaub kaum jemand daran, wie lange die Schnecke wohl zu unterwegs wäre oder wieviele Millimeter der Urlaubsort entfernt ist. Passende Längeneinheiten nehmen sozusagen die Furcht vor großen Entfernungen.

Akkretionsscheibe und Staubtorus
Akkretionsscheibe und Staubtorus (künstlerische Darstellung, CXC/M. Weiss)
Es gibt nun eine riesige Anzahl an Galaxien in dem Teil des Universums, das für uns mit Beobachtungen zugänglich ist. Im letzten Jahrzehnt haben neue Beobachtungsmöglichkeiten wie z. B. das Hubble-Weltraumteleskop gezeigt, daß die meisten, wenn nicht sogar alle Galaxien in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch besitzen, das die millionen- bis milliardenfache Masse eines einzelnen Sterns hat. Das kann beispielsweise aus der Beobachtung der Sternbahnen in der Nähe des Zentrums der Galaxien abgeleitet werden (Magorrian et al. 1998, Gerhardt et al. 2000, Schödel et al. 2002). In einigen Galaxien ist dieses Schwarze Loch "aktiv", d. h. Gas in der Zentralregion der Galaxie stürzt in das Schwarze Loch und bildet eine Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch. Das ganze spielt sich nur im innersten Teil der Galaxie ab; in einer Region, die sehr viel kleiner als 1 Parsec ist, und man spricht von einem aktiven galaktischen Kern (AGN, active galactic nucleus).

Quasare und ihre Muttergalaxien
Quasare und ihre Muttergalaxien (Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops)
Die Aktivität im Galaxienkern kann sich nun in vielfältiger Weise äußern, und man unterscheidet deshalb verschiedene Arten von aktiven Galaxien. Ein spektakulärer Typ aktiver Galaxien sind die Quasare. Bei ihnen stürzen gewaltige Mengen von Gas auf das Schwarze Loch und die Akkretionsscheibe ist dadurch stark ausgeprägt. Da das Gas sehr schnell und auch heiß wird, erzeugt es eine gewaltige Leuchtkraft, welche die Helligkeit der gesamten Galaxie um das hundertfache übertreffen kann - und das alles in einem winzigen Raumgebiet. Dadurch sind Quasare auch noch in sehr großer Entfernung beobachtbar, erscheinen aber nur als Lichtpunkt ohne innere Struktur, wenn die Leuchtkraft der dazugehörigen Galaxie dazu im Vergleich zu schwach ist.

Bildung von Jets
Bildung von Jets durch Magnetfelder (schematische Darstellung von NASA/ESA/Ann Feild)
Ein weiterer spektakulärer Typ aktiver Galaxien sind Radiogalaxien: In ihnen bildet sich in direkter Umgebung des Schwarzen Lochs ein Strahl aus dünnem und sehr heißen Gas, der Jet genannt wird und in zwei entgegengesetzte Richtungen vom Schwarzen Loch nach außen gerichtet ist. Er wird aus dem Gas im innersten Bereich der Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch durch die Wechselwirkung von Magnetfeldern und der Rotation gebildet. Es ist derzeit noch unklar, ob die Rotation der Akkretionsscheibe (Blandford & Payne 1982) oder die Rotation des Schwarzen Loches selbst, das den umgebenden Raum mitreißt (Blandford & Znajek 1977), dafür verantwortlich ist. Der Jet schießt mit einer gewaltigen Geschwindigkeit, nur knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit, nach außen und verläßt dabei nicht nur den aktiven Kern, sondern oft sogar die gesamte Galaxie. Die längsten Jets besitzen Längen von mehreren Millionen Parsec.

Da die Jets aus sehr heißem Gas (Plasma) bestehen, mit sehr energiereichen Elektronen und von Magnetfeldern durchdrungen sind, erzeugen sie Synchrotronstrahlung, die besonders bei Radiofrequenzen sehr intensiv ist, also im Bereich Mega- und Gigaherzbereich. Die ersten dieser Objekte wurden bereits in den 50er Jahren am Himmel mit Radioteleskopen identifiziert und prägten dadurch den Begriff "Radiogalaxie" für Galaxien mit leistungsstarken Jets. Inzwischen wurden Jets in allen Energiebereichen des elektromagnetischen Spektrums beobachtet, von Radiostrahlung bis hin zur Gammastrahlung. Sie sind damit die einzigen Objekte im Universum, die bei allen Frequenzen sichtbar sind.

Radio-Aufnahme von Cygnus A
Radioaufnahme von Cygnus A (von C. Carilli)
Die Jets schießen allerdings nicht wie eine Kanonenkugel aus der Galaxie hinaus, da sich zwischen den Sternen der Galaxie das interstellare Gas und außerhalb der Galaxie das intergalaktische Gas oder das Gas eines Galaxienhaufens (Clustergas) befindet. Obwohl all dieses Umgebungsgas für irdische Verhältnisse ein beinahe perfektes Vakuum darstellt, ist es immer noch viel dichter als das dünne Gas der Jets. Das Verhältnis ist ähnlich, als würde man versuchen, mit dem Luftstrahl aus einem Strohhalm einen langen Luftkanal in ein Wasserbecken zu blasen: ein sehr ungleiches Verhältnis, insbesondere bei größeren Ansammlungen von Galaxien, wo dann das Clustergas besonders dicht ist. Bei den Jets führt das dazu, daß an den beiden Punkten, wo der Jetstrahl auf das umgebende Gas trifft, sich jeweils ein Gebiet mit sehr hohem Druck bildet - die sogenannten Hotspots. An diesen Stellen ist die Synchrotronstrahlung besonders stark und die Hotspots sind die charakteristischen Kennzeichen von leistungsstarken Jets. Die ersten Radiobeobachtungen von Radiogalaxien überraschen die Astronomen damit, daß der größte Teil der Radiostrahlung von zwei hellen Punkten außerhalb einer Galaxie stammte - anfangs ohne klare Verbindung zur Galaxie, da die Jets selbst erst später mit verbesserten Teleskopen sichtbar wurden. Cygnus A ist eine der leistungsstärksten und nächsten Radiogalaxien und mit hoher Bildqualität beobachtbar.

Das Jet-Plasma wird beim Auftreffen auf das umgebende Gas an den Hotspots stark abgebremst und verläßt die Hotspots in ungefähr entgegengesetzte Richtung. Durch den hohen Dichteunterschied ist das der Weg des geringsten Widerstands. Dieses rückwärts gerichtete Jet-Gas, Backflow genannt, sammelt sich in einem sehr ausgedehnten Bereich zwischen den beiden entgegengesetzt gelegenen Hotspots an und bildet den Jet-Cocoon. Er ist meistens nur bei niedrigen Radiofrequenzen sichtbar, während höhere Radiofrequenzen nur den äußeren Teil des Cocoons als Radio-Lobes zeigen (wie oben bei Cygnus A).

Bild des VLA
Radioteleskope des Very Large Array (VLA, Foto von Wikipedia/Hajor)
Obwohl Radiogalaxien nun schon vor über 50 Jahren entdeckt wurden, sind viele ihrer Eigenschaften und die ablaufenden Prozesse unverstanden. Die dramatisch verbesserten Beobachtungsmöglichkeiten durch Teleskope wie das VLA in den 80er Jahren brachten erst das Einsicht, daß die Hotspots und Lobes außerhalb der Galaxie durch die leistungsstarken, aber oft nur schwer beobachtbaren Jets aus dem aktiven Galaxienkern erzeugt werden. Zu dieser Zeit wurden auch erste Computersimulationen durchgeführt, um die Entwicklung besser verstehen zu können. Doch erst in den letzten Jahren ermöglichte es die stark angewachsene Rechenleistung auf Supercomputern,
SX-9 supercomputer
Supercomputer NEC SX-9 am HLRS Stuttgart (Foto: HLRS)
daß wirklichkeitsnahe Simulationen durchgeführt werden können und damit helfen zu verstehen, wie der leistungsstarke Jetstrahl auf das Umgebungsgas einwirkt bzw. das Umgebungsgas auf den Jetstrahl, welche Form und Größe die Cocoons bei realistisch starken Magnetfeldern besitzen, welche Auswirkungen die Magnetfelder auf die Stabilität und das Erscheinungsbild der Lobes haben, und ob die beobachteten Stoßwellen im Umgebungsgas mit den vermuteten Jet-Eigenschaften erklärt werden können. Die Stoßwellen im Umgebungsgas sind zwar in Radiobeobachtungen nicht sichtbar, dagegen aber in den Bildern, die mit Hilfe von Röntgenteleskopen in den letzten Jahren gewonnen werden konnten. Diese Vergleiche von Beobachtungen und Computersimulationen werden es in Zukunft erlauben, Jets und aktive galaktische Kerne besser zu vestehen.