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Forschung - Plasma

Astrophysik und Plasmaphysik sind sehr eng miteinander verbunden: Nahezu alle Objekte der Astrophysik sind im Plasmazustand. Dementsprechend lassen sich viele astrophysikalische Prozesse nur verstehen, wenn man Plasmaphysik dabei berücksichtigt. Ich beschäftige mich vornehmlich mit Instabilitäten und nichtlinearen Interaktionen in Plasmen. Neben diesen reinen plasmaphysikalischen Effekten spielt Plasma aber auch in meiner Forschung zu Teilchenbeschleunigung, Turbulenz und Transporttheorie ein wichtige Rolle.

Nichtlineare Wellenwechselwirkung

Plasmen haben eine große Zahl von Eigenmoden, in die man Fluktuationen zerlegen kann. Die erste nichtlineare Ordnung von Wechselwirkung ist die Dreiwellen-Wechselwirkung. Viele nichtlineare Phänome der Plasmaphysik lassen sich schon mit dieser einfachen Beschreibung erklären. Der Ansatz ist dabei Plasmawellen als Pseudoteilchen mit Impuls und Energie zu betrachten, womit der Zusammenstoß von zwei Wellen durch Impuls- und Energieerhaltung beschrieben werden kann.

Für die Beschreibung von Turbulenz in inkompressiblen MHD-Plasmen folgt aus einer solchen Betrachtung dann z.B. direkt das anisotrope Turbulenzmodell von Goldreich & Sridhar. Eine analytische Rechnung für dispersive Plasmen (Three-wave interactions of dispersive plasma waves propagating parallel to the magnetic field (Spanier and Vainio 2008 arXiv e-prints )) zeigt dann aber auch die Grenzen einer einfachen Beschreibung auf: Durch Dispersionseffekte werden die Impuls- und Energieerhaltungsgleichungen schnell komplex. Allerdings kann auch gezeigt werden, dass die Pseudoteilchenbeschreibung den Drehimpuls ebenso erhält. Dies wiederum führt zu Konsequenzen für die Polarisation von Plasmawellen.

Eine sehr konkrete Anwendung von Dreiwellen-Wechselwirkung sind Type II Radiobursts, wie sie auf der Sonne beobachtet werden. Die Messungen zeigen dabei nicht nur eine fundamentale Emission sondern immer auch eine Emission bei der ersten Harmonischen. Durch Computersimulationen mit dem ACRONYM-Code war es möglich, dieses Szenario nachzubilden (Nonlinear Wave Interactions as Emission Process of Type II Radio Bursts (Ganse, Kilian, Spanier, and Vainio 2012 The Astrophysical Journal )). Hierbei wird angenommen, dass Elektronen an einer Schockfront beschleunigt werden. Diese Elektronen regen dann eine Beammode an - eine spezielle Plasmamode, die existiert, wenn hochenergetische Teilchen durch das Plasma strömen. Durch mehrer Wellenwechselwirkungen können dann sowohl fundamentale und harmonische Emission erklärt werden.

Mögliche Interaktionen von Wellen im Type II-Szenario aus Nonlinear Wave Interactions as Emission Process of Type II Radio Bursts (Ganse, Kilian, Spanier, and Vainio 2012 The Astrophysical Journal ). Gegenläufige Beam Moden können zu EM-Moden interagieren. Je nachdem, welche Kombination gewählt wird, ergibt sich fundamentale oder harmonische Emission.

Da über die Geometrie der Emissionsegion auf der Sonne nur wenig bekannt ist, kann man mit numerischen Methoden jedes Szenarion durchspielen: Emission of Type II Radio Bursts - Single-Beam Versus Two-Beam Scenario (Ganse, Kilian, Vainio, and Spanier 2012 Solar Physics ), Fundamental and harmonic plasma emission in different plasma environments (Ganse, Kilian, Spanier, and Vainio 2014 Astronomy and Astrophysics ). Durch Vergleich von zahlreichen Realisierungen mit Messdaten ist es dann möglich, das physikalische Szenario näher einzuschränken.

Energieverteilung im k-ω-Diagramm aus einer PiC-Simulation (Emission of Type II Radio Bursts - Single-Beam Versus Two-Beam Scenario (Ganse, Kilian, Vainio, and Spanier, 2012 Solar Physics )).

Instabilitäten

Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Forschung sind Instabilitäten in Plasmen. Insbesondere kinetische Instabilitäten - wie sie z.B. durch hochenergetische Teilchen in Plasmen angeregt werden. Eine der ersten Anwendungen des ACRONYM-Codes war ebenfalls die Simulation einer Instabilität: Die Filamentierungsinstabilität ( The Influence of the Mass Ratio on Particle Acceleration by the Filamentation Instability (Kilian, Burkart, and Spanier 2012, High Performance Computing in Science and Engineering '11) , The Influence of the Mass Ratio on the Acceleration of Particles by Filamentation Instabilities (Burkart, Elbracht, Ganse, and Spanier 2010 The Astrophysical Journal)) Die Filamentierungsinstabilität entsteht in unmagnetisierten Plasmen, wenn zwei warme Plasmen gegeneinander strömen. Die Filamentierungsinstabilität kann - ähnlich wie die verwandte Weibel-Instabilität - Saatmagnetfelder in unmagnetisierten Plasmen erzeugen und gleichzeitig geladene Teilchen beschleunigen.

Ausbildung von magnetischen Flußröhren durch die Filamentierungsinstabilität. The Influence of the Mass Ratio on the Acceleration of Particles by Filamentation Instabilities (Burkart, Elbracht, Ganse, and Spanier 2010 The Astrophysical Journal)

Ein Anwendungsfall für Instabilitäten in der Astrophysik ist die Paarinstabilität, die durch TeV-Photonen von Blazaren erzeugt wird. Es ist bekannt, dass TeV-Photonen von weit entfernten Quellen am extragalaktischen Hintergrundlicht Elektron-Positron-Paare erzeugen. Diese können durch Compton-Streuung am kosmischen Mikrowellenhintergrund GeV-Photonen erzeugen. Neronov & Vovk (2019) haben aus der Tatsache, dass genau diese GeV-Photonen nicht beobachtet werden, die Sträke des intergalaktischen Magnetfeldes abgeschätzt, welches die Elektronen ablenkt. Broderick et al. (2012) haben hingegen argumentiert, dass die Elektronen durch Instabilitäten eher abgelenkt werden. Durch PiC-Simulationen haben wir ebenfalls versucht, diesen Effekt zu untersuchen: Energy loss in intergalactic pair beams: Particle-in-cell simulation (Kempf, Kilian, and Spanier 2016 Astronomy and Astrophysics ). Die Kontroverse dazu hält allerdings immer noch an.

Im Kontext von Teilchentransport kommt auch die Frage auf, wie hochenergetische Teilchen, die durch ein Plasma diffundieren, ihre Umgebung verändern. Auch wenn die angeregte Instabilität nicht in der Magnetohydrodynamik erklärt werden kann, so kann man die folgende Evolution durchaus mit MHD-Simulationen Evolution of plasma turbulence excited with particle beams (Lange and Spanier 2012 Astronomy and Astrophysics ) beschrieben werden. Bei diesen Simulationen mit dem GISMO-Code konnte gezeigt werden, dass diese Evolution der kritischen Balance von Goldreich&Sridhar folgt.

Dämpfungsraten

Neben der Bestimmung des Modenwachstums ist es auch interessant, zu bestimmen, wie stark einzelne Moden gedämpft werden. Interessamterweise ist für einen relativ einfachen Prozess wie die Zyklotrondämpfung die Dämpfungsrate analytisch nicht bekannt. Mit PiC-Simulationen (Recovering the Damping Rates of Cyclotron Damped Plasma Waves from Simulation Data (Schreiner, Kilian, and Spanier 2017 Communications in Computational Physics )) kann man hier Abhilfe schaffen.

Verantwortlich: Felix Spanier, letzte Änderung am 25.11.2020 20:49 CET
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