Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Forschung - Turbulenz

Turbulenz spielt in vielen Bereichen der Astro- und Weltraumphysik eine wichtige Rolle. Auf großen Skalen ist Turbulenz wichtig für die Sternentstehung, auf kleineren Skalen trägt Turbulenz zur Strukturbildung und Heizung bei. Auch beim Transport kosmischer Strahlung ist Turbulenz eine zentrale Komponente.

In der Hydrodynamik ist Turbulenz auch nach sehr langer Zeit in weiten Teilen unverstanden, zumindest existiert dort aber mit der Kolmogorov-Theorie eine Beschreibung, die zumindest die Energiespektren der Turbulenz gut erklärt. In der Astrophysik geht es allerdings um Plasmaturbulenz auf Längenskalen, die mehrere Größenordnungen umfassen. Dabei kommen verschiedene Plasmabeschreibungen von der Magnetohydrodynamik über Hybridmodelle bis zu kinetischen Modellen zum Tragen.

Für inkompressible magnetohydrodynamische Plasmen gibt es die Theorie von Goldreich&Sridhar, die vorhersagt, dass die Energiespektren einen ähnlichen Index haben wie in der Kolmogorov-Theorie (also 5/3), aber der Energietransport senkrecht zu den Magnetfeldlinien stattfindet - bis es zu einer kritischen Balance kommt.

Wie sich die Goldreich-Sridhar-Theorie auf Plasmen auswirkt, in denen Energie durch Teilchen injiziert wird, wurde in Evolution of plasma turbulence excited with particle beams (Lange and Spanier 2012 Astronomy and Astrophysics ) untersucht. Dazu wurde der GISMO-Code verwendet, es wurde also die Entwicklung im Bereich der Magnetohydrodynamik untersucht. Dabei zeigt sich, dass hochenergetische Protonen Wellen in Plasmen anregen, die Energie sich aber tatsächlich so ausbreitet, wie von Goldreich und Sridhar vorhergesagt wurde - senkrecht zur Magnetfeldlinie zuerst.


Energietransport in inkompressiblen Plasmen: Bei k=24 wird Energie durch strömende Protonen injiziert. Die Energie wird senkrecht zum Magnetfeld transportiert und später - nach Erreichen der kritischen Balance - auch parallel. Aus: Evolution of plasma turbulence excited with particle beams (Lange and Spanier 2012 Astronomy and Astrophysics )

Wenn man statt inkompressiblen MHD-Plasmen den kompressiblen Fall betrachtet, stellt man fest, dass sowohl der Energietransport als auch die Spektren fundamental anders aussehen. In Turbulence evolution in MHD plasmas (Wisniewski, Kissmann, Spanier, and Spanier 2013 Journal of Plasma Physics ) wurde dies im Detail untersucht. Es ist dabei nicht unerwartet, dass tatsächlich eine mehr oder minder isotrope Energieausbreitung stattfindet. Allerdings zeigt sich auch, dass die Kompressibilität eine weitaus größere Abhängigkeit von den Parametern darstellt.

Meine aktuelle Forschung beschäftigt sich sehr stark mit Turbulenz im kinetischen Bereich - also auf Längenskalen, bei denen die Stöße zwischen Teilchen des Plasmas keine Rolle mehr spielen. In diesen Bereichen spielt die Wechselwirkung einzelner Plasmawellen eine wichtige Rolle. Wie in Three-wave interactions of dispersive plasma waves propagating parallel to the magnetic field (Spanier and Vainio 2008 arXiv e-prints ) beschrieben, wird diese Interaktion für dispersive Wellen, wie man sie jenseits der Protonengyrofrequenz findet, sehr kompliziert. Auch die Wellendämpfung ( Recovering the Damping Rates of Cyclotron Damped Plasma Waves from Simulation Data (Schreiner, Kilian, and Spanier 2017 Communications in Computational Physics ) ) ist erheblich komplizierter.

Mit Particle-in-Cell Codes ist es möglich, die Turbulenz im kinetischen Bereich im Detail zu untersuchen. Auch wenn die Technik relativ einfach verständlich ist, ist der numerische Aufwand dennoch extrem groß: Turbulenz ist ein Phänomen, dass auf vielen Größenskalen stattfindet, PiC-Codes erfordern aber gleichzeitig eine Auflösung der kleinsten Skalen. Entsprechend groß ist der numerische Aufwand.


Kinetische Simulation von Turbulenz: Energie wird bei kleinsten Skalen injiziert und breitet sich auch hier senkrecht aus. Der Unteschied zum oben gezeigten Bild ist dies eine kinetische Simulation. Dementsprechend werden hier auch dispersive Wellenmoden berücksichtigt.

Verantwortlich: Felix Spanier, letzte Änderung am 12.03.2021 23:06 CET
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