University of Heidelberg

Sternentstehung und -entwicklung, Molekülwolken-Dynamik, Planetenringe

Prof. Werner M. Tscharnuter
mit W. J. Duschl, H.-P. Gail, C. Straka

Sternentstehung und Sternentwicklung

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Der Schwerpunkt der Untersuchungen zur Sternentstehung durch Gravitationskollaps interstellarer Molekülwolken bzw. Teilen davon, sog. protostellaren Fragmenten, und der sich daran anschließenden Entwicklung des frischgebackenen Sterns durch thermonukleare Fusionsreaktionen in seinem tiefen Inneren liegt bei der Bildung und Entwicklung der allerersten Generation von Sternen im frühen Universum, den Sternen der - hypothetischen, d. h. empirisch bislang nicht belegten - Population III. Nach heutigem Verständnis lieferte der Urknall nur Wasserstoff und Helium (vielleicht noch mit einer extrem geringen Beimischung von Lithium) als erste Bauelemente für Sterne. Dies ist ein ganz wesentlicher Unterschied zur Sternentstehung, die wir heute in unserer Milchstraße und anderen Galaxien beobachten. Interstellarer Staub dagegen, der durch seine Eigenschaft, im Infraroten wirksam abstrahlen zu können, den Sternbildungsprozeß wesentlich mitbestimmt, war damals mangels kondensationsfähiger Verbindungen schwererer Elemente (z. B. Silikate, Oxide, Karbide usw.) nicht verfügbar. Als einzige Spezies, die die Rolle des Staubs als Kühl-Agens - wenn auch mit bedeutend kleinerer Effizienz - unter diesen Bedingungen übernehmen kann, ist der molekulare Wasserstoff; jedoch ist selbst die Bildung des Wasserstoffmoleküls aus atomarem Wasserstoff in der Gasphase bei den zu erwartenden Ausgangsdichten ein schwieriges Unterfangen. Wir erwarten daher, daß die Bildung der Population-III-Sterne bei höheren Temperaturen vonstatten ging und wegen der größeren Jeans-Masse die typischen Sternmassen systematisch höher lagen, als dies bei den nachfolgenden und insbesondere den kontemporären Sterngenerationen der Fall (gewesen) ist. Daraus ergeben sich gravierende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung dieser massereichen, nur aus Wasserstoff und Helium bestehenden Sterne, die ihren Energiebedarf zunächst ausschließlich über die p-p-Kette decken können, während ihnen der Einstieg in den ungleich effizienteren CNO-Zyklus verschlossen bleibt.

Aktuelle Untersuchungen in diesem Themenbereich beziehen sich auf

  • die Bildung von molekularem Wasserstoff (H2) einschließlich seiner deuterierten Form (HD) in der Gasphase, d. h., die Erstellung und numerische Lösung des zugehörigen Reaktionsnetzwerks;
  • die Kühlung durch Linien des molekularen Wasserstoffs;
  • die Rolle des Lithiums für die Kühlung - Lithium als möglicher Elektronenspender;
  • die Berechnung von Opazitäten;
  • das Erreichen der Hauptreihe von Sternen der Population III, d. h., das Einsetzen thermonuklearer Reaktionen, insbesondere die Bedeutung der p-p-Kette für die Energieproduktion.

Die Arbeiten werden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 439 "Galaxien im jungen Universum" durchgeführt.

Dynamik von Molekülwolken mit gegenseitigen Stößen in der Nähe des Galaktischen Zentrums

mit W. J. Duschl

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Im Zentrum der Milchstraße, d. h. in den inneren rund 500 Parsek, spielen neben den oben genannten Wechselwirkungen vor allem auch die Wechselwirkung zwischen den Molekülwolken sowie deren Verscherung aufgrund des Gravitationspotentials eine wichtige Rolle.

Ziel unserer Untersuchungen ist herauszufinden, welche Implikationen diese Wechselwirkungen zwischen den Molekülwolken untereinander (gravitativ und durch direkte Stöße) haben, sowie die Gezeitenkräfte, welche durch den Halo von Sternen und das massereiche Schwarze Loch in der Umgebung des Galaktischen Zentrums auf die Wolken einwirken. Wir sind dabei, diese Fragestellung sowohl von der empirischen Seite - also der Beobachtung - als auch theoretisch in Angriff zu nehmen.

Von der Beobachtungsseite haben wir dazu bereits - in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn - ein Mosaik der innersten 30 Parsek der Milchstraße in mehreren Infrarotwellenlängen angefertigt, das vor allem die stellare Population zeigt. Komplementär dazu stehen uns auch submm- und Radiobeobachtungen zur Verfügung, die die Verteilung des interstellaren Gases und Staubs wiedergeben.

Auf diesem Material aufbauend sind nun zwei Hauptfragen sind zu klären:

  • lassen sich theoretische Aussagen zur Entwicklung der Wolkenpopulation in der Nähe des Galaktischen Zentrums gewinnen?
  • läuft Sternbildung in diesen Wolken anders ab als in der Galaktischen Scheibe, verstärkt oder drosselt insbesondere die starke Verscherung der Gasströmung im Galaktischen Zentrum die Sternentstehungsrate und lassen sich die Beobachtungsbefunde theoretisch interpretieren?

Dieses Projekt wird im Rahmen des DFG-Schwerpunkts "Physik der Sternentstehung" durchgeführt.

Strukturbildung im B-Ring des Saturn

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Seit dem Vorbeiflug der Voyager-Sonden an Saturn vor ziemlich genau zwanzig Jahren ist bekannt, daß namentlich der B-Ring räumlich kleinskalige und offensichtlich zeitlich rasch veränderliche Strukturen in radialer Richtung aufweist, die nicht durch die gravitativen Einwirkungen der Saturnmonde oder "Moonlets" zu erklären sind. Frühe Vorschläge, diese Strukturen seien die Auswirkungen einer "viskosen" Instabilität, haben sich als unzutreffend erwiesen. Die Schwierigkeit besteht darin, daß die effektive Viskosität, die durch die gegenseitigen Stöße der Ringteilchen erzeugt wird, in realistischen Simulationen hierfür nicht die "richtige" Abhängigkeit von der Flächendichte der Ringteilchen zeigt: der B-Ring, als viskose, quasi-zweidimensionale isotherme Strömung modelliert, wird nicht durch eine destabilisierende "Antidiffusion" dominiert; vielmehr bleibt der Ring stets "viskos" stabil, unterliegt aber einer kräftigen vibrationellen Instabilität, die bereits nach wenigen Umläufen der Ringteilchen um Saturn in den nichtlinearen Bereich großer Amplituden führt. Trotz der - im Vergleich zu Saturn - sehr kleinen Eigengravitation der Ringmaterie wird durch die zugehörige Jeans-Länge die charakteristische Längenskala für die Feinstruktur des B-Rings festgelegt: ein schönes Beispiel für die strukturbildende Eigenschaft der Gravitation als langreichweitige Kraft in Verbindung mit dissipativen Prozessen. Bislang wurden nur zylindersymmetrische, in vertikaler Richtung zur Scheibe beliebig dünne Strukturen untersucht. Es ist geplant, diese Untersuchungen auf die Abhängigkeit der Lösungen von 2 Raumkoordinaten, und zwar zum einen auf die Berücksichtigung der kleinen aber endlichen vertikalen Ausdehnung unter Beibehaltung der axialen Symmetrie, zum anderen auf azimutwinkelabhängige dünne Scheiben (Spiral- und Balkenstrukturen) auszudehnen. Durch die CASSINI-Mission, welche bereits seit 6. Oktober 1997 unterwegs ist und am 1. Juli 2004 ihr Ziel, den Saturn, erreichen wird, erhält dieses Projekt eine besondere Aktualität.

Zusammenarbeit mit anderen Institutionen

Numerisch-methodische Fragen der Algorithmik und Codierung, die für alle drei genannten Arbeitsgebiete von entscheidender Bedeutung sind, werden in engem Kontakt mit dem Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) vor Ort, sowie mit dem Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik (ZIB) in Berlin diskutiert. Insbesondere die Implementierung effizienter Algorithmen zur Lösung der auftretenden Systeme nichtlinearer partieller Differentialgleichungen wird durch aktive Mitarbeit im Sonderforschungsbereichs 359 "Reaktive Strömungen, Diffusion und Transport" durchgeführt. Wissenschaftliche Kontakte bestehen ferner mit dem Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung, Fachbereich Planetenerkundung des DLR in Berlin-Adlershof und dem Institut für Astronomie der Universität Wien, Österreich.

Responsible: , last modification May/22/2007 12:31 CEST
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