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Forschung

Aktive Galaktische Kerne

Aktive Galaktische Kerne (AGN) - insbesondere die Klasse der Blazare - sind für die Hochenergieastrophysik sehr interessante Objekte, da sie viele besondere Eigenschaften haben: Sie weisen elektromagnetische Emissionen über einen weiten Energiebereich (Radio- bis Gammabereich) auf, ihre Variabilität reicht von Sekunden bis zu Jahren und sie werden als potentielle Quellen von hochenergetischen Protonen und Neutrinos angesehen.

Aus den astronomischen Beobachtungen weiß man, dass Aktive Galaktische Kerne als zentrales Element ein supermassives schwarzes Loch enthalten, dass als Motor für extrem schnelle Plasmajets dient. In diesen Plasmajets können sich Schockfronten ausbilden, in denen Teilchen beschleunigt werden, die wiederum verantwortlich sind für das breite elektromagnetische Strahlungsspektrum

Meine Forschung beschäftigt sich mit der Frage, wie das Spektrum dieser Objekte erklärt werden kann. Dazu kommen leptonische (z.B. Modelling the variability of 1ES1218+30.4 (Weidinger and Spanier 2010 Astronomy and Astrophysics )) und hadronische (A self-consistent and time-dependent hybrid blazar emission model. Properties and application (Weidinger and Spanier 2015 Astronomy and Astrophysics ) ) Strahlungsmodelle zur Anwendung. Mittlerweile wurden in meiner Arbeitsgruppe auch Codes entwickelt, die eine ortsaufgelöste A Numerical Model of Parsec-scale SSC Morphologies and Their Radio Emission (Richter and Spanier 2016 The Astrophysical Journal ) Modellierung von AGN ermöglichen.

Ziel der Forschung ist, die verschiedenen Beobachtungen (Photonen, Neutrinos, evtl. sogar Protonen und Gravitationswellen) miteinander zu verknüpfen (sog. Multi-Messenger Astronomie). Dabei sollen insbesondere selbstkonsistent aus der Teilchenverteilung das elektromagnetische Spektrum und dessen Variabilität oder gar die Struktur des Jets folgen. /p>

Die Aktive Galaxie M87 mit ihrem 10 kpc langen Jet.
Image credit: NASA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

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Kinetische Plasmaphysik

Plasma beschreibt den Zustand eines ionisierten Gases, in dem es eine kollektive Wechselwirkung gibt. In der Literatur wird Plasma auch als vierter Aggregatszustand bezeichnet - auch wenn das eine extreme Vereinfachung darstellt. Während Plasmen auf der Erde zwar vorkommen (Blitz, Leuchtstoffröhre, Beschichtungsreaktoren etc.), aber letztlich nur Materie in nicht ionisiertem Zustand dominiert, ist die Situation im Rest des Universums anders: Fast überall liegt Materie in einem Plasmazustand vor. Häufig liest man, daß 99% aller Materie als Plasma vorliegen.

Die mathematisch-physikalische Beschreibung von Plasmen ist dabei äußerst vielfältig. Von nicht-magnetisierten Fluidplasmen bis zu kinetischen Plasmen in starken Magnetfeldern gibt es viele Arten und Beschreibungen von Plasmen, die in verschiedenen Bereichen eine Anwendung finden.

Ich beschäftige mich vornehmlich mit der sogenannten kinetischen Plasmen - also Plasmen, bei denen die Verteilungsfunktion der Teilchen nicht Maxwell-Boltzmann ist, sondern ein Überschuß an Teilchen bei höheren Energien existiert. Viele astronomische Objekte (die Sonne, Planeten, Pulsare, Aktive Galaxienkerne etc.) beschleunigen Teilchen und produzieren damit kinetische Plasmen.

Mit Hilfe numerischer Methoden (z.B. Particle-in-Cell) untersuche ich, wie sich solche Plasmen verhalten und welchen Einfluß nichtthermische Teilchen auf das Plasma haben.

Darstellung von magnetischen Flußröhren, die durch eine Filamentierungsinstabilität hervorgerufen werden.
Image credit: T. Burkart, O. Elbracht, F. Spanier

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Turbulenz

Turbulenz kennt man aus dem Alltag von Flüssigkeiten und Gasen. Obwohl die Gleichungen die hinter (hydrodynamischer) Turbulenz einfach sind, ist die theoretische Beschreibung von Turbulenz immer noch nicht endgültig geklärt. In der Plasmaphysik werden die Gleichungen komplizierter und die in Plasmen umso komplexer.

Zu den Gebieten, mit denen ich mich beschäftige gehört die Untersuchung von Turbulenz in magnetisierten Fluidplasma (Magnetohydrodynmik, s. Evolution of plasma turbulence excited with particle beams (Lange and Spanier 2012 Astronomy and Astrophysics )) und die Turbulenz in Bereich kinetischer Plasmen. Die Fragestellungen dabei sind u.a. wie sich die Energie verteilt, wie Energie über Skalen transportiert und wie Anisotropien aussehen (oder im Fall von kinetischer Turbulenz, welche Wellenmoden bei der Turbulenz eine Rolle spielen).

Wie in vielen anderen Projekten verwende ich meist numerische Methoden wie spektrale MHD-Löser GISMO oder Particle-in-Cell Codes ACRONYM aber auch analytische Methoden Three-wave interactions of dispersive plasma waves propagating parallel to the magnetic field (Spanier and Vainio 2008 arXiv e-prints ).

Magnetische Feldlinien in kompressibler MHD-Turbulenz
Image credit: Turbulence evolution in MHD plasmas (Wisniewski, Kissmann, Spanier, and Spanier 2013 Journal of Plasma Physics )

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Transport kosmischer Strahlung

Eng verbunden mit der Turbulenzforschung ist die Untersuchung des Transports kosmischer Strahlung: Hochenergetische geladene Teilchen in der Heliosphäre und dem interstellaren Medium werden durch die Wechselwirkung von Teilchen mit turbulenten Magnetfeldern gestreut. Dabei wird angenommen, dass sich die turbulenten Störungen als Wellen zerlegen lassen.

Es zeigt sich, dass schon für den Fall der Wechselwirkung eines Teilchens mit einer einzelnen Wellen eine analytische Lösung extrem kompliziert ist (Analytical treatment of particle motion in circularly polarized slab-mode wave fields (Schreiner, Vainio, and Spanier 2018 Journal of Plasma Physics ) ). Daher verwende ich verschiedene numerische Modelle, um die Eigenschaften des Teilchentransports zu bestimmen.

Mit dem inkompressiblen MHD-Code GISMO lässt sich die Bewegung von Testteilchen in inkompressibler MHD-Turbulenz berechnen (Particle scattering in turbulent plasmas with amplified wave modes (Lange, Spanier et al. 2013 Astronomy and Astrophysics )). Für dispersive Wellenmoden bietet sich die Simulation mit ACRONYM an (Wave-particle-interaction in kinetic plasmas (Schreiner and Spanier 2014 Computer Physics Communications ) , Particle Scattering off of Right-Handed Dispersive Waves (Schreiner, Kilian, and Spanier 2017 The Astrophysical Journal ) ). Ein Problem bei solchen Simulationen ist die tatsächliche Bestimmung von Transportparametern aus der Simulation. Die Bestimmung quasi-linearer Parameter aus nichtlinearen Simulationen gelingt z.B. besser mit neu entwickelten Methoden Determining Pitch-angle Diffusion Coefficients from Test Particle Simulations (Ivascenko, Lange, Spanier, and Vainio 2016 The Astrophysical Journal ) .

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Phasenraumdiagramm für Welle-Teilchen-Wechselwirkung
Image credit: Analytical treatment of particle motion in circularly polarized slab-mode wave fields (Schreiner, Vainio, and Spanier 2018 Journal of Plasma Physics )

Schocks und Teilchenbeschleunigung

Die Existenz hochenergetischer kosmischer Strahlung ist seit langem bekannt, viele Quellen sind auch bekannt (die Sonne, Pulsare, Aktive Galaktische Kerne etc.). Über die Frage, wie Teilchen zu höchsten Energien beschleunigt werden, besteht aber noch Uneinigkeit.

Zu den wahrscheinlichsten Beschleunigungsmechanismen gehört die Beschleunigung an Schockfronten. Dieser Mechanismus lässt sich an der Sonne oder im Sonnenwind auch am Merkur (Kinetic Simulations of Electron Acceleration at Mercury (Büchner, Kilian et al.} , 2018, Magnetic Fields in the Solar System ) ) beobachten. In Aktiven Galaktischen Kernen kann man die Schockfronten zwar beobachten, aber es lässt sich nur schwer in situ beobachten, wie Teilchen beschleunigt werden. Nur durch die Modellierung von Strahlung (A Numerical Model of Parsec-scale SSC Morphologies and Their Radio Emission (Richter and Spanier 2016 The Astrophysical Journal ) ) kann man implizit sein Beschleunigunsmodell verifizieren.

Ich untersuche mikrophysikalisch mit Particle-in-Cell codes aber auch makrophysikalisch mit AGN-Modellierung mögliche Schockbeschleunigunsszenarien. Dabei spielt die Entwicklung neuer numerischer Methoden auch eine wichtige Rolle ( Simulating the injection of magnetized plasma without electromagnetic precursor wave (Kilian and Spanier 2018 Journal of Computational Physics ))

Teilchenbahnen an einer Schockfront. PiC-Simulation
Image credit: Teilchenbeschleunigung an kollisionsfreien Schockfronten, Dissertation, P. Kilian, Uni Würzburg 2015 urn:nbn:de:bvb:20-opus-119023

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Plasmapyhsik in Neutrinoexperimenten

Die Messung der Neutrinomasse ist nicht direkt möglich, verschiedene Experimente versuchen aber diese indirekt zu bestimmen. Ein Weg diese zu bestimmen, ist die Bestimmung des Elektronenspektrums aus Betazerfällen. Fermi konnte schon den Einfluß der Neutrinomasse auf das Spektrum zeigen.

Im KATRIN-Experiment zum Beispiel wird eine große Tritiumquelle verwendet, die eine sehr große Zahl an Tritiumzerfällen liefert. Damit ist es möglich, das Spektrum im Detail zu vermessen. Dabei gibt es aber einen Haken: Die hochenergetischen Elektronen aus dem Betazerfall ionisieren das Tritiumgas. Dadurch entsteht ein Plasma, das ein elektrostatisches Potential hat. Dieses Potential ändert die Energiedifferenz zwischen Zerfallselektronen und dem Detektor.

Für eine Neutrinomassenmessung mit höchstmöglicher Präzision ist es notwendig, dieses elektrostatische Potential zu bestimmen. Dazu müssen sowohl die molekularen und atomaren Prozesse, die zur Ionisation und Rekombination führen simuliert werden als auch das Plasma selber simuliert werden.

Elektrostatischs Potential in der WGTS. PiC-Simulation
Image credit: Simulation of the KATRIN Source Plasma using Monte Carlo and Particle in Cell Methods, Dissertation, J. Kellerer, KIT Karlsruhe 2022 urn:nbn:de:101:1-2022033004594613326610

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Verantwortlich: Felix Spanier, letzte Änderung am 23.06.2023 22:08 CEST
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