Rekonstruktion von Galaxienhaufen mit Hilfe des Linseneffektes
Allgemeines

Während der starke Linseneffekt eine hochauflösende Rekonstruktion des Galaxienhaufenzentrums ermöglicht, erschließt der schwache Linseneffekt das gesamte Beobachtungsfeld. Eine Kombination aus beiden Effekten, wie wir es mit unserer Methode versuchen, bietet also die Möglichkeit zur Galaxienhaufenrekonstruktion auf allen beobachteten Skalen.
Referenzen
Neben unseren eigenen Veröffentlichungen sind hier auch zwei andere Ansätze zur Kombination von starkem und schwachem Linseneffekt aufgelistet.- Combining weak and strong lensing in cluster potential reconstruction
Cacciato, Bartelmann, Meneghetti, Moscardini
2006, A&A, 458, 349
[astro-ph] - Combining weak and strong cluster lensing: Applications to
simulations and MS 2137
Merten, Cacciato, Meneghetti, Mignone, Bartelmann
2008, submitted to A&A
[astro-ph] - Strong and weak lensing united I: the combined strong and weak
lensing cluster mass reconstruction method
Bradač, Schneider, Lombardi, Erben
2005, A&A, 437, 39
[astro-ph] - Combined reconstruction of weak and strong lensing data with
WSLAP
Diego, Tegmark, Protopapas, Sandvik
2007, MNRAS, 375, 958
[astro-ph]
Rekonstruktionsmethode

Das Grundprinzip unseres Algorithmus ist eine sog. Maximum-Likelihood-Methode. In Worten beschrieben, versuchen wir jenes Linsenpotential zu finden, welches, gegeben die Beobachtungsdaten, die größte Wahrscheinlichkeit aufweist, die Beobachtungen verursacht zu haben. Dazu teilen wir das Beobachtungsfeld in Pixel auf und erhalten ein reguläres Gitter. Anschließend definieren wir eine Chi-Quadrat-Funktion in jedem Pixel und minimieren sie auf diesem Gitter. Die Größe, bezüglich der minimiert wird, ist das Linsenpotential selbst. Auf diese Art und Weise erhalten wir eine nicht-parametrische Rekonstruktionsmethode, indem wir zusätzlich jedem Pixel auch eine Beobachtungsgröße zuordnen, welche vom Linsenpotential abhängt. Wie diese Chi-Quadrat-Funktion konkret aussieht, erklären wir im nächsten Abschnitt.
Referenzen
Hier eine Referenz zu Maximum-Likelihood basierten Galaxienhaufen-Rekonstruktionsmethoden.- Maximum-likelihood Cluster Reconstruction
Bartelmann, Narayan, Seitz, Schneider
1996, ApJ, 464L, 115B
[astro-ph]
Verschiedene Linseneffekte
Zum jetzigen Zeitpunkt verarbeiten wir zwei verschiedene Arten von Beobachtungen in unseren Rekonstruktionen.
Die Beobachtung, die wir in unserer Methode dem starken Linseneffekt zugrunde legen, sind Bögen. Man kann zeigen, dass diese Bögen bei nicht allzu hoher Auflösung sehr nahe an der sog. kritischen Kurve eines Galaxienhaufens liegen. Dabei handelt es sich um eine andere charakteristische Linseneigenschaft, welche ebenfalls von zweiten Ableitungen des Linsenpotentials abhängt. Für jeden Pixel, der einen Teil eines Bogens enthält, definieren wir also eine zusätzliche Chi-Quadrat-Funktion, die den starken Linseneffekt beinhaltet. Da sich diese Bögen sehr gut beobachten lassen und die Gitterauflösung aufgrund der Mittelung im schwachen Linseneffekt sowieso schon recht gering ist, verwenden wir für diese Pixel eine feinere Gitterauflösung, um keine Information zu verschenken.

Referenzen
Eine detaillierte Beschreibung der Methode, inklusive der fehlenden Formeln ist hier zu finden.- Combining weak and strong cluster lensing: Applications to
simulations and MS 2137
Merten, Cacciato, Meneghetti, Mignone, Bartelmann
2008, submitted to A&A
[astro-ph]
Vorteile unserer Methode
Bevor wir zu etwas technischeren Details unserer Methode kommen, wollen wir noch die wichtigsten Vorteile gegenüber anderen Ansätzen hervorheben.- Der Vorteil gegenüber Methoden die sich nur auf einen einzigen Linseneffekt beschränken ist offensichtlich. Eine Kombination aus beiden Effekten erlaubt eine Rekonstruktion auf allen Skalen.
- Der Maximum-Likelihood-Ansatz macht die Methode enorm flexibel, da man für sehr viele Beobachtungen Chi-Quadrat-Funktionen definieren kann. Tatsächlich arbeiten wir derzeit daran, unsere Methode mit einem Effekt namens Flexion und der Berücksichtigung von Mehrfachbildern zu erweitern.
- Das adaptive Mittelungsschema für die Hintergrundgalaxien erlaubt Rekonstruktionen mit hoher Auflösung auch bei sehr niedriger Hintergrundgalaxiendichte.
- Die Verwendung von Bögen als Element des starken Linseneffekt ist sehr einfach in der Umsetzung, da diese sehr viel einfach zu beobachten sind als z.B. Mehrfachbilder.
Numerische Umsetzung

Des Weiteren verwenden wir in unserer Methode ein kompliziertes zweistufiges Iterationsschema, was bis zu 200 Iterationen pro Rekonstruktion nötig macht. Dies bedeutet einen enormen Aufwand an CPU-Zeit, was uns dazu bewegt hat, den Code zu parallelisieren. Zu diesem Zeitpunkt ist er für eine Ausführung auf Computern mit 10-25 Kernen ausgelegt.
Noch einige Worte zur konkreten Gestalt des Programmpakets. Der Code ist objektorientiert in C++ geschrieben. Alle wesentlichen Funktionen sind unabhägig von der Rekonstruktionsroutine aufrufbar und in den dem Code zugrundeliegenden Bibliotheken verfügbar. Für eine ausreichende Anwenderfreundlichkeit ist das Programm durch Konfigurationsdateien zu bedienen und mithilfe eines Makefiles auch einfach zu installieren.
Hier noch kurz eine Auflistung der externen Bibliotheken, die neben der C-Standardbibliothek verwendet werden, und die Beschreibung Ihrer Funktion innerhalb des Programms.
-
GNU Scientific Library
(GSL)
Vektor/Matrix Verwendung, Statistik, komplexe Zahlen, lineare Gleichungssysteme, Zufallszahlen. -
Numerical Recipes (NR)
Zweidimensionale, bikubische Spline Interpolation (wird in Zukunft wohl ersetzt durch GSL). -
Linear Algebra Package
(LAPACK)
Hochdimensionale Matrixinvertierung, lineare Gleichungssysteme -
CFITSIO &
CCfits
Ein. -und Ausgabe mit Hilfe des FITS-Formats. -
Message Passing Interface
(MPI)
Parallelisierung auf mehrere Prozesse.
Der Code selbst ist in unserem Repository verfügbar.
Verantwortlich: Simon Glover, letzte Änderung am 04.11.2008 08:41 CET